Harnblasenkrebs

Harnblasenkrebs (Harnblasenkarzinom, Blasentumor, Urothelkarzinom): Bösartige Wucherung der Harnblasenschleimhaut, die durch Giftstoffe begünstigt wird. Männer – vor allem zwischen 60 und 70 Jahren – sind etwa dreimal häufiger betroffen als Frauen. Dabei lässt sich aktuell jeder zweite Blasenkrebs bei Männern wie Frauen auf das Rauchen zurückführen. Wird der Harnblasenkrebs früh entdeckt und hat er die Harnblasenwand noch nicht durchbrochen, bestehen gute Heilungschancen; die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt dann ~ 90 %. In fortgeschrittenen Stadien ist oft die operative Entfernung der Harnblase erforderlich, was einen deutlichen Einschnitt in den Alltag bedeutet und meist zur Erwerbsunfähigkeit führt.

Leitbeschwerden

Frühstadium: In 80 % der Fälle sichtbare Beimengungen von Blut im Urin, typischerweise schmerzlos und ohne sonstige Beschwerden.

In späteren Stadien:

  • Manchmal häufiger oder verstärkter Harndrang
  • Schmerzen in der Nierengegend durch Harnaufstauung in den Nieren
  • Gewichtsverlust

Wann zum Arzt

In den nächsten zwei Tagen, wenn Blut im Urin ist.

Sofort, wenn kein Wasserlassen mehr möglich ist.

Die Erkrankung

Harnblasentumoren sind bösartige Wucherungen der Blasenschleimhaut und stellen den häufigsten Krebs des Harntrakts dar. Sie entstehen nachweislich durch den schädlichen Einfluss krebsauslösender Giftstoffe, sodass Raucher ein stark erhöhtes Risiko für Harnblasenkrebs haben. Als Auslöser sind jedoch auch Substanzen aus der Industrie bekannt, die z. B. in bestimmten Haarfärbemitteln vorkommen oder in der Textil- und Lederindustrie verwendet werden. Harnblasenkrebs ist als Berufskrankheit anerkannt, wenn der Zusammenhang zwischen Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz und der Erkrankung bewiesen werden kann.

Die Tumoren wachsen meist in Form kleiner Ausstülpungen (Polypen) direkt aus der Harnblasenschleimhaut und sind in 95 % der Fälle bösartig. Bei ~ 75 % der Erkrankungen handelt es sich um relativ gutartige papilläre (knospenartig wachsende) Krebsformen, die nur die innerste Schicht der Blasenwand betreffen und noch nicht in die Blasenmuskulatur eingewachsen sind. Eine Sonderform stellt das Karzinoma in situ, Blasen-CIS, dar: Es ist auf die oberflächlichen Schichten beschränkt und eigentlich ein sehr frühes Krebsstadium, dennoch ist es in der Blase wegen der raschen Ausbreitung in der gesamten Blasenwand prognostisch ungünstig. Liegt ein flächenhaft infiltrierender Harnblasenkrebs vor, so ist er bereits meist in die Muskulatur der Harnblase eingewachsen und breitet sich rasch in die angrenzenden Nachbarorgane (z. B. Prostata oder Gebärmutter) aus. Dies bedeutet eine deutlich schlechtere Prognose.

Ist der Urin stark blutig, besteht die Gefahr, dass Blutgerinnsel in der Blase zurückbleiben und schließlich den Blasenausgang verstopfen (Blasentamponade). Ein Wasserlassen ist dann nicht mehr möglich, es kommt zum Harnverhalt. Die Blutgerinnsel werden über einen Katheter oder endoskopisch entfernt.

Das macht der Arzt

Mit Urin-Teststreifen identifiziert der Arzt Spuren von Blut im Urin. Auch eine Urinkultur wird angelegt, da häufig eine begleitende Harnwegsinfektion besteht. Bei einer bereits mit bloßem Auge erkennbaren Blutbeimengung im Urin (Makrohämaturie) ist eine Abklärung umso dringender. Einen ersten orientierenden Hinweis kann ein Urin-Schnelltest (Bestimmung von NMP 22) geben, der jedoch auch häufig positiv ist, wenn kein Tumor vorliegt.

Per Ultraschall erkennt der Arzt eine bereits bestehende Harnstauung in den Nieren oder Ursachen für die Blutung wie Nieren- und Harnleitersteine. Tumoren sind erst ab einer gewissen Größe im Ultraschall sichtbar. Daher nimmt der Arzt schon bei einer einmaligen Mikrohämaturie eine Kontrastmitteluntersuchung des Harntrakts (Ausscheidungsurogramm) und eine Harnblasenspiegelung vor. Gegebenenfalls entnimmt er Urin direkt aus der Blase (Blasenspülzytologie), um Krebszellen nachzuweisen.

Mit den bildgebenden Verfahren CT, Kernspin und Knochenszintigrafie entdeckt der Arzt möglicherweise bereits vorhandene Metastasen.

Therapie

Die Therapie des Harnblasenkarzinoms hängt maßgeblich von der Art, dem Sitz und dem Stadium des Tumors ab. Problematisch ist, dass die Tumoren oft wiederkehren – in ~ 60 % der Fälle auch nach ihrer vollständigen Entfernung. Da die Gewebestruktur in Harnblase, Harnleiter und im Nierenbecken identisch ist, können die Tumoren gleichzeitig an verschiedenen Stellen auftreten. Die Therapie fortgeschrittener oder großflächiger Tumoren erweist sich als schwierig.

Operative Tumorentfernung (TUR-B). Handelt es sich noch um die papilläre Krebsvorstufe oder um einen oberflächlichen Krebs, genügt eine relativ kleine Operation über die Harnblasenspiegelung, die Transurethrale Resektion der Blase (TUR-B, TUR-Blase, verallgemeinernd auch Elektroresektion). Dazu wird unter Vollnarkose ein starres Rohr über die Harnröhre in Richtung Harnblase geführt, durch das sich zusätzliche Operationsinstrumente wie z. B. eine Hochfrequenzstrom führende Drahtschlinge einbringen lassen. Mit deren Hilfe wird ein oberflächlicher Tumor dann vollständig entfernt.

Die nachträgliche feingewebliche Untersuchung des entfernten Gewebes im Labor zeigt, wie weit der Tumor in die tieferen Schleimhautschichten eingewachsen ist. Wurde der Tumor durch die Biopsie bereits komplett entfernt, erübrigt sich oft auch jede weitere Therapie.

Wichtig sind in den ersten Jahren regelmäßige Harnblasenspiegelungen zur Kontrolle, denn in bis zu zwei Dritteln der Fälle kommt es zu einem Wiederauftreten. Je nach Stadium und Differenzierungsgrad der Tumorzellen werden diese meist wieder durch die TUR-B entfernt.

Seit einigen Jahren gibt es die Photodynamische Diagnostik (PDD), mit der auch kleinste Tumoren erkannt werden können. Vor der Operation wird die Blase mit einer fluoreszierenden Substanz gefüllt, die sich in den Tumorzellen anreichert. Wird der Tumor nun mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt, leuchten die Fluoreszenzmoleküle, sodass sich die Tumorzellen nun von den gesunden Gewebezellen deutlich unterscheiden und gezielter entfernt werden können.

Radikale Zystektomie. Ist ein Tumor bereits in tiefe Muskelschichten der Blase eingewachsen (infiltrierend wachsender Harnblasenkrebs), ist eine komplette Entfernung der Harnblase (radikale Zystektomie) nötig – vorausgesetzt, die umgebenden Lymphknoten und Organe sind noch nicht von Krebs befallen. Vorsorglich werden die Lymphknoten des Beckens bei der Operation mit entfernt, beim Mann zusätzlich zur Harnblase auch die Prostata (radikale Prostataektomie), bei der Frau die Gebärmutter, die Eileiter und die Eierstöcke sowie ein Teil der Scheidenwand.

Ohne Harnblase muss der Urin umgeleitet werden: Aus Teilen des Darms schafft der Operateur einen Harnblasenersatz (Neoblase), in den die Harnleiter eingepflanzt werden. Diese Eingriffe sind aufwändig und für den Patienten vorübergehend sehr belastend. Inzwischen werden sie in allen größeren urologischen Kliniken durchgeführt.

Folgen der kompletten Harnblasenentfernung. Trotz moderner Operationstechniken kommt es nach einer vollständigen Entfernung der Harnblase und anschließendem Ersatz zu unerwünschten Nebenwirkungen an der Ersatzblase und den Nachbarorganen.

Meist besteht zumindest am Anfang eine Harninkontinenz, denn das Halten und kontrollierte Entleeren des Urins muss erst wieder erlernt werden. Sehr hilfreich ist hierbei das Beckenbodentraining. Manchmal sind die Patienten jedoch nicht mehr in der Lage, die Ersatzblase vollständig zu entleeren, dann muss die Blase gegebenenfalls mehrmals täglich über einen Katheter entleert werden.

Männer verlieren durch den Eingriff ihre Erektionsfähigkeit, denn auch Prostata und Samenblasen müssen bei der Entfernung der Harnblase komplett entfernt werden. Dabei können die für die Erektion zuständigen Nervenstränge oft nicht geschont werden – die Libido aber bleibt erhalten.

Bei Frauen werden häufig die Eierstöcke mit entfernt, was im Alter unter 50 zu vorzeitigen Wechseljahrsbeschwerden führt.

Vorbehandlung und weitere Behandlungsmöglichkeiten. Generell lassen sich Blasentumoren mit Bestrahlung oder Chemotherapie schlecht behandeln.

Die Bestrahlung allein ist leider nur wenig wirksam und stellt deshalb keine Alternative zur operativen radikalen Blasenentfernung dar. Nur wenn der Patient nicht operiert werden kann oder es sein ausdrücklicher Wunsch ist, wird eine Bestrahlung vorgenommen. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt dann aber nur bei maximal 40 %.

Radiochemotherapie. Die Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie, die Radiochemotherapie, erzielt etwas höhere Erfolge als die alleinige Anwendung eines der beiden Verfahren. Zuvor sollte der Blasentumor möglichst per TUR-B komplett entfernt worden sein.

Lokale Chemotherapie. Mit einem Immunmodulator (Wirkstoff, der das Immunsystem beeinflusst) wie BCG® aus abgeschwächten Tuberkuloseerregern lässt sich im frühen Tumorstadium oft das Tumorwachstum stoppen. Damit diese Chemotherapie nur im Blaseninneren wirkt, werden die Substanzen nach einem bestimmten Therapieschema (anfangs meist einmal wöchentlich, dann monatlich) über einen Katheter direkt in die Blase eingefüllt und dort für etwa zwei Stunden belassen – danach entsorgt sie der Patient wieder „auf natürlichem Wege“ (Instillationstherapie). Mögliche Nebenwirkungen sind Blasenentzündung und ein starker Reizzustand der Blase und gelegentlich Auslösung oder Aktivierung einer Tuberkulose.

Systemische Chemotherapie. Ist das Tumorwachstum bereits so weit fortgeschritten, dass der Tumor in die Muskulatur der Blasenwand eingewachsen ist, wird in Einzelfällen vor der operativen Entfernung der Harnblase eine systemische Chemotherapie eingesetzt, um den Tumor zu verkleinern. Hierbei werden die Medikamente durch eine Infusion verabreicht. Gelingt so eine Verkleinerung des Tumors, vereinfacht diese die Operation oder macht sie manchmal auch erst möglich.

Als alleinige Therapie wird die systemische Chemotherapie nur empfohlen, wenn bereits Fernmetastasen z. B. in Knochen, Leber oder Lunge vorliegen, der Tumor also bereits in andere Gewebe gestreut hat. Manchmal stellt sie jedoch die einzige Möglichkeit dar, die Überlebenszeit zu verlängern. Die Wirksamkeit ist aber begrenzt: Noch am besten hat sich eine Form der Chemotherapie bewährt, in der vier verschiedene Wirkstoffe nach einem bestimmten Schema eingesetzt werden (z. B. nach MVAC-Schema mit den Substanzen Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin und Cisplatin). Nur in ~ 20 % der Fälle geht der Tumor vollständig zurück, und bei noch weniger Patienten hält der Erfolg langfristig an. Daher sind neue Schemata in Erprobung, die zum Teil auch verträglicher sind.

Prognose

Die 5-Jahres-Überlebensrate hängt davon ab, ob es sich um einen oberflächlich wachsenden Tumor handelt (5-Jahres-Überlebensrate ~ 85 %) oder um einen Tumor, der bereits in tiefere Gewebeschichten eingewachsen ist (5-Jahres-Überlebensrate maximal 60 %). Auch der Differenzierungsgrad der Tumorzellen und die Frage, ob bereits Metastasen vorliegen, haben Einfluss auf die Prognose.

Selbsthilfe

Wie bei allen Krebsarten ist auch die Diagnose „Blasenkrebs“ begleitet von dem Gefühl „in ein tiefes Loch zu fallen“. Zudem muss sich der Patient häufig mit einer Blasenentfernung abfinden und die Nebenwirkungen und Folgen der Behandlung ertragen. Dazu gehören Beschwerden beim Wasserlassen, Potenzstörungen und (vorübergehende) Harninkontinenz nach der Operation. Daher ist nach überwundener Blasenkrebserkrankung eine Rehabilitation in einer Spezialklinik oder eine ambulante Nachsorge, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten, sehr wichtig.

Sprechen Sie auf jeden Fall mit Ihrem Arzt über Ihre Ängste und Beschwerden. Inwieweit die folgenden Ratschläge in Ihrer ganz persönlichen Situation nützlich sind, können letztlich nur Sie selbst entscheiden:

  • Körperliche Aktivität setzt neue Energie frei: Machen Sie regelmäßig ein Ihrer körperlichen Verfassung angemessenes Ausdauertraining, etwa Wandern, Walking oder Schwimmen.
  • Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung − so fühlen Sie sich wohler und stärken Ihr Immunsystem.
  • Mobilisieren Sie Ihre inneren Kräfte: Entspannungsverfahren, kreative Tätigkeiten mit Musik und Literatur oder ein Hobby helfen Ihnen bei der Bewältigung der Krankheit.
  • Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus: Selbsthilfegruppen bieten Möglichkeiten, offen über Sorgen und Probleme zu sprechen.

Vorsorge

Ist der Blasenkrebs in einem Frühstadium per TUR-B entfernt worden, wird einem erneuten Wachstum sowie einer weiteren Ausbreitung von Tumorzellen in tiefere Gewebeschichten durch eine lokale Chemotherapie mit Zytostatika (z. B. Mitomycin C, Epirubicin oder Doxorubicin) oder dem Immunmodulator BCG® per Instillationstherapie vorgebeugt. BCG® wirkt zwar stärker als die anderen Medikamente, ist aber auch schlechter verträglich. Abgesehen von dem zusätzlichen immunmodulierenden BCG® beugen die Medikamente lediglich einem erneuten Auftreten von Tumoren vor.

Wenn das Tumorwachstum bereits fortgeschritten war, wird nach der radikalen Blasenentfernung häufig eine systemische Chemotherapie durchgeführt, um das Fortschreiten der Erkrankung zu reduzieren. Diese Chemotherapie beginnt in der Regel innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Operation.

Besonders wichtig ist bei Blasenkrebs das Einhalten der empfohlenen Nachsorgeuntersuchungen – auch nach erfolgreicher Therapie.