Akute Mittelohrentzündung

Akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta): Ein- oder beidseitige Entzündung der Schleimhaut des Mittelohrs, oft als Folge einer Erkältungskrankheit mit Schnupfen und durch Bakterien ausgelöst. Besonders häufig sind Säuglinge und Kleinkinder betroffen. Aber auch bei Schulkindern ist sie noch eine häufige Ursache für Krankschreibungen. Die Erkrankung heilt meistens nach wenigen Tagen folgenlos ab, wenn die Tubenbelüftung sichergestellt ist. In seltenen, schweren Fällen breitet sie sich auf die Hohlräume des Warzenfortsatzes (Mastoiditis) oder die Hirnhäute (Hirnhautentzündung) aus.

Leitbeschwerden

  • Heftige stechende, pulsierende oder klopfende Ohrenschmerzen
  • Oft Fieber und beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, Erkältungsbeschwerden
  • Gelegentlich Schwindel
  • Bei Säuglingen und Kleinkindern häufig untypische Beschwerden, wie Reiben am Ohr, Trinkunlust, häufiges Schreien, Bauchschmerzen, Durchfall und hohes Fieber
  • Eventuell Ausfluss von Sekret aus dem Ohr, wenn das Trommelfell platzt

Wann zum Arzt

Heute noch, wenn der Verdacht auf eine Mittelohrentzündung besteht.

Sofort, wenn

  • sich bereits abgeklungene Beschwerden wieder verstärken.
  • Rötung und Schwellung hinter dem Ohrläppchen auftreten und/oder das Ohr absteht (Gefahr einer Mastoiditis).
  • starke Kopfschmerzen, ein steifer Nacken und/oder starke Müdigkeit hinzukommen (Gefahr einer Hirnhautentzündung).

Die Erkrankung

Am häufigsten tritt die Mittelohrentzündung zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat auf. Sie ist in dieser Altersgruppe deshalb so häufig, weil Kleinkinder noch eine kurze, weite und – im Unterschied zum Erwachsenen – horizontal verlaufende Ohrtrompete haben, über die Krankheitserreger leicht aus dem Nasenrachen in das Mittelohr aufsteigen. So erleben schätzungsweise zwei Drittel aller Kinder vor ihrem sechsten Geburtstag eine akute Mittelohrentzündung, danach wird die Erkrankung seltener. Die akute Mittelohrentzündung wird begünstigt durch vergrößerte Rachenmandeln (Polypen) und Passivrauchen. Die Rolle von Allergien (wie Heuschnupfen) ist umstritten, wahrscheinlich verursachen sie für sich alleine die Mittelohrentzündung nicht.

Mittelohrentzündungen treten meist als Folge einer Erkältung (daher bevorzugt in den Wintermonaten) auf, bei der Erreger (überwiegend Bakterien, z. B. Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae) über die Ohrtrompete in das Mittelohr gelangen, wo sie eine Entzündung der Schleimhaut auslösen. Die Folge ist eine fortlaufende Produktion von Sekret. Da dieses – im Gegensatz zum Schnupfen – nicht durch die Nase abfließen kann, staut es sich hinter dem entzündeten Trommelfell. Der Sekretstau drückt schmerzhaft auf das Mittelohr und führt zu Schallleitungsschwerhörigkeit. Meist bildet sich die Entzündung des Trommelfells im Laufe weniger Tage von selbst zurück. Das aufgestaute Sekret wird langsam wieder in den Körper aufgenommen. Jedoch kann nach einer Mittelohrentzündung oft noch über Wochen ein Paukenerguss bestehen bleiben. In manchen Fällen reißt das Trommelfell infolge des zunehmenden Drucks und das Sekret fließt in den Gehörgang ab. Die Schmerzen lassen dann schlagartig nach und die Mittelohrentzündung heilt nun rasch und folgenlos ab. Das geplatzte Trommelfell schließt sich binnen weniger Tage von selbst.

Häufige Mittelohrentzündungen können einen bleibenden Trommelfellschaden mit Schwerhörigkeit hinterlassen oder in eine chronische Form übergehen (chronische Mittelohrentzündung).

Eine heutzutage seltene Komplikation der Mittelohrentzündung ist die Mastoiditis, bei der die Mittelohrentzündung auf die mit Schleimhaut ausgekleideten Hohlräume im Warzenfortsatz übergeht. Zu ihrer Behandlung ist eine Operation erforderlich, wobei der Knochen hinter dem Ohr unter Vollnarkose eröffnet und der Eiter und die entzündete Schleimhaut entfernt wird.

Das macht der Arzt

Der Arzt stellt die Diagnose anhand der Vorgeschichte (typisch ist ein vorangegangener Schnupfen) und der charakteristischen Beschwerden des Patienten. Anschließend sieht er sich das Trommelfell an. Ergänzend kommen bei komplizierten Verläufen Hörprüfungen, Gleichgewichtstests, bildgebende Untersuchungen des Schädels und/oder ein Blutbild hinzu. Häufig verordnet der Arzt Antibiotika; Mittel der Wahl ist ein Breitbandpenicillin, z. B. Amoxicillin, das gegen eine breite Anzahl von Erregern wirkt und 7 bis 10 Tage lang mehrmals täglich eingenommen wird. Ein Trommelfellschnitt (Parazentese) kann erwogen werden, wenn sich das Trommelfell wegen des entzündungsbedingten Drucks im Mittelohr stark vorwölbt – der Patient spürt dann starke Schmerzen. Durch diesen Entlastungsschnitt kommt es zur sofortigen Erleichterung für den Patienten, weil das abfließende Sekret den Druck im Mittelohr reduziert.

Viele Studien zeigen inzwischen, dass nicht jede Mittelohrentzündung gleich mit Antibiotika behandelt werden muss. Etwa 80 % der Kinder werden auch ohne innerhalb weniger Tage gesund. Die kinderärztlichen Fachgesellschaften empfehlen die automatische Antibiotikagabe nur noch bei Kindern unter 6 Monaten. Bei Kindern zwischen 6 Monaten und 2 Jahren kann dann auf Antibiotika verzichtet werden, wenn sich der Arzt mit der Diagnose nicht ganz sicher ist (dies ist wegen der häufig durch Ohrenschmalz verlegten Gehörgänge gar nicht so selten) und wenn es dem Kind einigermaßen gut geht (d. h. wenn das Fieber 39 °C nicht übersteigt und die Ohrenschmerzen auszuhalten sind). Bei Kindern ab 2 Jahren kann auch bei einer gesicherten Mittelohrentzündung auf Antibiotika verzichtet werden, wenn es dem Kind einigermaßen gut geht.

Selbsthilfe und Komplementärmedizin

Eine Tubenbelüftungsstörung kann – vor allem nachts – Schmerzen wie bei einer Mittelohrentzündung verursachen. Diese Schmerzen sind aber nach einigen Stunden verschwunden (es bleibt höchstens noch ein „komisches“ Gefühl in den Ohren), während die Schmerzen einer Mittelohrentzündung länger anhalten. Deshalb sollte zunächst ein Schmerzmittel gegeben werden, z. B. Paracetamol (z. B. in Ben-u-ron®) oder Ibuprofen (in Eudorlin® extra). Bleiben die Schmerzen nach Abklingen des Schmerzmittels aus, dann lag keine Mittelohrentzündung, sondern eine Tubenbelüftungsstörung vor.

Ohne Verordnung des Arztes dürfen Sie bei einer Mittelohrentzündung keine Ohrentropfen anwenden. Bei noch intaktem Trommelfell können diese gar nicht in das Mittelohr gelangen und bei einem bereits erfolgten Riss rufen sie möglicherweise Innenohrschäden hervor.

Bei Ohrenausfluss dürfen Sie keine Watte in den Gehörgang stecken – dadurch bildet sich eine feuchte Kammer, in der sich Krankheitserreger schnell vermehren.

Bestrahlungen mit Rotlicht, Heizkissen oder Wärmflasche lindern die Beschwerden, da durch die wärmebedingte Weitstellung der Gefäße verstärkt entzündungshemmende Zellen ins Krankheitsgebiet gelangen und die Erkrankung schneller ausheilt. Achten Sie auf einen Mindestabstand zur Lampe, damit keine Verbrennungen entstehen.

Homöopathie. Je nach Begleitsymptomatik empfiehlt die Homöopathie in der Akutphase häufige Gaben z. B. von Aconitum, Belladonna, Chamomilla oder Ferrum phosphoricum in niederen Potenzen. Als homöopathisches Komplexmittel stehen z. B. Otovowen® Tropfen zur Verfügung. Ob sie aus wissenschaflicher Sicht wirksam sind, ist derzeit jedoch nicht bekannt, denn es liegen keine Studien vor, die den Krankheitsverlauf mit und ohne homöopathische Medikation miteinander vergleichen (Stand Sommer 2007).

Vorsorge

Im Umfeld von Säuglingen und Kleinkindern, die häufig unter akuten Mittelohrentzündungen leiden, sollte unbedingt auf das Rauchen verzichtet werden. Dieses „Rauchverbot“ sollte die ganze Wohnung umfassen, denn Studien haben gezeigt, dass Kleinkinder auch unter separaten und für sie nicht zugänglichen Raucherzimmern nachweisbar leiden, also dass sie häufiger erkranken. Auch sollten Kinder ihre Milchflasche nicht im Liegen zu trinken bekommen, da dies möglicherweise Mittelohrentzündungen fördert. Stillen schützt nachweislich vor Mittelohrentzündungen.

Die operative Entfernung vergrößerter Rachenmandeln hat zumindest bei Kindern unter vier Jahren keinen vorbeugenden Effekt. Ob eine Pneumokokken-Schutzimpfung die Rückfallgefahr vermindert, ist nicht bekannt.