Arterielle Hypotonie und orthostatische Dysregulation

Arterielle Hypotonie (Konstitutioneller niedriger Blutdruck): Dauerhaft niedrige systolische Blutdruckwerte unter 100 mmHg. Bei jungen Frauen oder schlankwüchsigen Menschen sind dauerhaft niedrige systolische Blutdruckwerte unter 100 mmHg ohne wesentliche Beschwerden nicht selten.

Orthostatische Dysregulation (orthostatische Hypotonie, orthostatische Kreislaufregulationsstörung): Plötzlicher Blutdruckabfall nach Lagewechseln, insbesondere raschem Aufstehen aus dem Liegen oder Sitzen führt zu Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit. Betroffen sind bevorzugt ältere Menschen, Diabetiker, Menschen mit ausgeprägten Krampfadern oder solche, die von Haus aus bereits niedrige Blutdruckwerte haben. Bei älteren Menschen gehört die orthostatische Dysregulation zu den häufigsten Ursachen einer plötzlichen Bewusstlosigkeit, die meist aber nur kurz anhält.

Die therapeutischen Möglichkeiten sind bei beiden Erkrankungen leider begrenzt.

Leitbeschwerden

Arterielle Hypotonie:

  • Schlappheit, Müdigkeit
  • Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, morgens lange „keine Energie“
  • kalte Hände und Füße

Orthostatische Dysregulation, vor allem nach einem plötzlichen Lagewechsel des Körpers:

  • Schwindel, Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen, Bewusstlosigkeit,
  • Blässe, Schweißausbruch, Übelkeit, Herzklopfen
  • Kopfschmerzen
  • Ohrgeräusche

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn nach dem Aufstehen oder bei längerem Stehen regelmäßig Schwindel, Schweißausbruch oder Übelkeit auftreten.

Sofort, wenn es erstmals kurzzeitig zu Bewusstlosigkeit kommt.

Die Erkrankung

Eine arterielle Hypotonie ist meist anlagebedingt und tritt familiär gehäuft auf. Behandlungsbedürftige Beschwerden sind damit meist nicht verbunden. Niedrige Blutdruckwerte können auch Folge von Herzkrankheiten, von Hormonstörungen (z. B. bei Schilddrüsenunterfunktion), von Flüssigkeitsmangel (z. B. nach großer Hitze und starkem Schwitzen) oder von Medikamentennebenwirkungen (z. B. nach Bluthochdruckmedikamenten oder Psychopharmaka) sein.

Im Gegensatz zur dauerhaften arteriellen Hypotonie kommt es bei der orthostatischen Dysregulation anfallsweise zu niedrigen Blutdruckwerten. Stehen die Betroffenen schnell auf, so versackt das Blut aufgrund der Schwerkraft in den Beinen, ohne dass das vegetative Nervensystem darauf reagiert und dies durch reflektorisches Zusammenziehen der venösen Blutgefäße verhindert. In der Folge fließt plötzlich zu wenig Blut zum Herzen zurück und der Blutdruck fällt ab. Die entstehende Mangeldurchblutung des Gehirns führt zu Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen bis hin zur Bewusstlosigkeit. Ein Kollabieren und Hinstürzen lässt sich verhindern, indem man sich hinsetzt oder hinlegt und die Beine hochlegt, wodurch das Blut zum Herzen zurückfließt. Die Blutverteilungsstörung ist damit behoben, der Blutdruck steigt wieder, das Gehirn wird wieder mit mehr Blut versorgt und die Beschwerden vergehen.

Ob eine Neigung zur orthostatischen Hypotonie besteht, kann mit Hilfe des Schellong-Tests geprüft werden:

Der Patient legt sich für zehn Minuten auf eine Liege, steht anschließend abrupt auf und bleibt zehn Minuten lang stehen. Im Stehen werden in regelmäßigen Abständen Puls und Blutdruck gemessen und es wird nach Beschwerden gefragt. Normalerweise treten keine Beschwerden auf, Blutdruck und Puls ändern sich kaum. Besteht eine orthostatische Dysregulation, provoziert der abrupte Lagewechsel die typischen Beschwerden und zumindest ein Blutdruckwert ist deutlich erniedrigt.

Bei Patienten, die bereits Ohnmachtsanfälle erlitten haben, wird eine vergleichbare Untersuchung mit einem kippbaren Tisch durchgeführt, auf dem sie festgeschnallt werden. Bei tatsächlich auftretender Ohnmacht ist der Patient vor Stürzen geschützt. Die Kipptischuntersuchung kann z. B. auch bei der Diagnose von Herzrhythmusstörungen helfen.

Bei Patienten mit starkem Blutdruckabfall und Beschwerden können zwei Formen der orthostatischen Hypotonie unterschieden werden:

  • Sackt der systolische Blutdruck nach dem Aufstehen deutlich ab und steigt gleichzeitig der Pulsschlag, so liegt eine sympathikotone orthostatische Hypotonie vor.
  • Bei der asympathikotonen orthostatischen Hypotonie fallen systolischer und diastolischer Blutdruck nach dem Aufstehen deutlich ab, ohne dass der Pulsschlag ansteigt. Er bleibt vielmehr unverändert oder fällt sogar ab.

Das macht der Arzt

Anhand der geschilderten Beschwerden vermutet der Arzt oft schon eine orthostatische Dysregulation, mit dem Schellong-Test kann er sie oft nachweisen. Anhaltend niedrige systolische Blutdruckwerte unter 100 mmHg fallen meist als Zufallsbefund bei Blutdruckmessungen in der Arztpraxis oder bei einer 24-Stunden-Blutdruck-Messung auf.

Sowohl bei orthostatischer Dysregulation als auch bei Beschwerden wegen arterieller Hypotonie steht zunächst die Selbsthilfe im Vordergrund. Daneben kommt das Tragen von Kompressionsstrümpfen in Betracht. Medikamente, die den Blutdruck senken, sollten weggelassen werden.

Medikamentöse Therapie. Medikamente sind in den seltensten Fällen erforderlich und werden wegen möglicher Nebenwirkungen auch nur ungern eingenommen und verschrieben. Es gibt auch keinen geeigneten Wirkstoff, der ausschließlich Venen gerade dann verengt, wenn zu wenig Blut zum Herzen zurückfließt.

Wenn der Patient eine Therapie wünscht, kann das sympathische Nervensystem mit Substanzen wie Etilefrin, Coffein, Midodrin, Oxilofrin oder Ameziniummetilsulfat angeregt werden. Nachteil ist, dass diese Stimulation den ganzen Körper erfasst und daher auch Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden können.

Mit Dihydroergotamin steht ein Wirkstoff zur Verfügung, der die Spannung der venösen Gefäßmuskulatur erhöht und so dem Versacken des Bluts bei der sympathikotonen orthostatischen Hypotonie entgegenwirkt. Da das Medikament aber auch auf Arterien wirksam ist, muss auf die mögliche Nebenwirkung einer Minderdurchblutung von Gliedmaßen oder Organen geachtet werden.

Durch die Einnahme von Fludrocortison wird die Flüssigkeitsmenge in den Blutgefäßen erhöht und dadurch der Blutdruck angehoben. Auch hier müssen mögliche Nebenwirkungen wie Wassereinlagerungen ins Gewebe beachtet werden.

Selbsthilfe und Komplementärmedizin

Gewöhnen Sie sich an, nach dem Schlafen, nach längerem Sitzen oder einem Bad nicht abrupt, sondern langsam aufzustehen. Im Übrigen ist Duschen für Sie besser geeignet als Baden. Wenn Sie dennoch auf ein Vollbad nicht verzichten möchten, achten Sie darauf, dass das Wasser nicht zu warm ist und stehen Sie ganz besonders langsam aus der Badewanne auf. Denn aufgrund der warmen Haut und der damit weit gestellten Gefäße sackt das Blut gerne in die Beine. Meiden Sie überwärmte Räume.

Schlafen Sie mit erhöhtem Oberkörper. Die Schrägstellung des Kopfteils auf etwa 20° vermindert die nächtliche Nierenausscheidung und lindert so Blutdruckschwankungen beim morgendlichen Aufstehen.

Viele Betroffene profitieren auch von Kompressionsstrümpfen Klasse I. Sie sind zwar im Sommer etwas lästig, werden aber in den übrigen Jahreszeiten von sehr vielen Betroffenen getragen.

Hydrotherapie. Trainieren Sie die Reaktionsfähigkeit Ihres unwillkürlichen Nervensystems durch heiß-kalte Wechselduschen. Wenn Sie eher zum Typ der „Warmduscher“ gehören, fangen Sie mit 10-sekündigen Kaltduschphasen der Beine an und verlängern Sie diese in den nächsten Wochen langsam auf 30 Sekunden. Kreislaufanregend wirken auch Tautreten, kalte Güsse, kalte Armbäder und Trockenbürsten, z. B. mit einem Luffahandschuh. Achten Sie darauf, dass Sie immer kreisend von außen in Richtung Herz bürsten.

Umstritten ist, ob regelmäßige Saunabesuche bei niedrigem Blutdruck sinnvoll sind. Die durch die Wärme hervorgerufene Gefäßerweiterung kann zu einem Kreislaufkollaps führen. Wenn Sie dennoch nicht darauf verzichten wollen, beginnen Sie am besten mit kurzen Saunaaufenthalten und verlängern Sie diese erst, wenn Sie die Wärme gut vertragen.

Ernährung. Nehmen Sie beim Essen großzügig Kochsalz zu sich, trinken Sie reichlich, vermeiden Sie opulente Mahlzeiten – besser sind viele kleinere Portionen.

Bewegung. Planen Sie in Ihren Tagesablauf viele körperliche Aktivitäten ein. Ignorieren Sie den Aufzug an Ihrem Arbeitsplatz und benutzen Sie die Treppen. Lassen Sie auch bei längeren Gehstrecken das Auto stehen und erledigen Sie Ihre Besorgungen von nun an zu Fuß oder per Fahrrad.

Morgendliche Gymnastikübungen bringen den Kreislauf auf Trab. Legen Sie sich z. B. auf den Rücken, heben Sie die Beine zur Kerze an und fahren Sie dann mit den Beinen in der Luft für 5–10 Minuten Rad. Den gleichen Zweck erfüllen Kniebeugen oder Im-Stand-Joggen, indem Sie einige Minuten auf der Stelle laufen.

Treiben Sie regelmäßig Sport, besonders geeignet sind Sportarten, die einen stark anregenden Effekt auf den Kreislauf haben, z. B. Joggen, Mountainbiking oder Tanzen.

Entspannungsverfahren. Yoga übt zwar keinen direkten Einfluss auf den Blutdruck aus, einige Körper- und Atemübungen haben aber einen belebenden Effekt und mindern deshalb die Symptome eines niedrigen Blutdrucks.

Pflanzenheilkunde. Als kreislaufanregende Heilpflanzen gelten Ginsengwurzel (Panax ginseng), Kampfer (Cinnamomum camphora), Weißdorn (Crataegus-Extrakte) und Rosmarin (Rosmarinum officinalis). Besonders empfehlenswert sind Kombinationspräparate (z. B. Korodin Herz-Kreislauf-Tropfen®), bei gelegentlichen Beschwerden können auch Vollbäder mit Badezusätzen (z. B. Rosmarinöl und Kampfer in Kneipp Badeöl Rosmarin®) sinnvoll sein.

HomöopathieKonstitutionsmittel, die einen Bezug zu niedrigem Blutdruck haben, sind u. a. Calcium carbonicum, Gelsemium oder Sepia; darüber hinaus stehen verschiedene kreislaufanregende Komplexmittel (z. B. Diacard®, Hevert®-Aktivon) zur Verfügung.

Akupunktur. Es sind verschiedene Tonisierungspunkte bekannt, z. B. des Blasen-, Herz-Kreislauf- oder Lungenmeridians, deren gezielte Nadelung in manchen Fällen den niedrigen Blutdruck reguliert.