TV gefährdet Kindesentwicklung
Dauerberieselung nimmt Eltern Zeit und Aufmerksamkeit für Kinder
Läuft ein Fernseher im Hintergrund, schenken Erwachsene ihren Kindern weniger Aufmerksamkeit - selbst wenn sie gar nicht auf den Bildschirm schauen. Ein ständig laufender Fernseher ist also schädlich und kann die persönliche und intellektuelle Entwicklung eines kleinen Kindes verzögern, schließen Forscher der University of Massachusetts.
Der Fernseher beeinträchtigt die Kommunikation
Im Rahmen einer Studie unter Leitung von Heather Kirkorian haben 50 Kinder zwischen ein und drei Jahren eine Stunde lang mit jeweils einem Elternteil gespielt. Die Hälfte der Zeit war ein Fernseher im Raum eingeschaltet und zeigte je nach Wunsch der Erwachsenen eine Comedy oder Spieleshow. Nach einer halben Stunde wurde der Fernseher ausgeschaltet. Während der gesamten Zeit beobachteten die Forscher, wie sich Eltern und Kinder zueinander verhielten.
Dabei zeigte sich, dass die Eltern mit den Kindern bei eingeschaltetem Gerät um ein Fünftel weniger sprachen. Zudem waren die Hinwendungen weniger aktiv und aufmerksam. Oft gaben Erwachsene auf Fragen der Kinder keine Antwort. Dasselbe Ausmaß, in dem die Erwachsenen weniger sprachen, war auch bei den Kindern zu beobachten. Sowohl Menge als auch Qualität der Interaktionen zwischen Eltern und Kind litten also unter dem Laufen des Gerätes.
Fernsehen ist für Kleinkinder nicht geeignet
Dass der Fernseher zuhause ständig läuft, trifft in den USA für etwa jedes dritte Kind zu. In Europa gibt es dazu noch keine Untersuchung, berichtet Michael Gurt vom Institut für Medienpädagogik in München. "Das Phänomen nimmt aber auch bei uns stark zu." Dass der laufende Fernseher die Beziehung von Eltern und Kindern beeinträchtigt, hält Gurt für natürlich: "Auch wenn der Fernseher nur im Hintergrund läuft, bindet er stets Aufmerksamkeit." Mütter, die beim Stillen fernsehen, konzentrieren sich beispielsweise nicht mehr voll auf das Kind, was auch zu Interaktionsstörungen führt.
Fernsehen ist für Kleinkinder ohnehin nicht geeignet. In den ersten Lebensjahren erfasst das Kind die reale Umwelt über Sinneseindrücke oder Interaktion mit Bezugspersonen. "Es gelingt Kleinkindern nicht, die Bilder und Geräusche aus dem Fernseher als gemachte Realität einzuordnen. Sie werden daher vom Medium überfordert und erhalten nichts, was ihre Entwicklung oder ihr Weiterkommen fördert. Das hat sich auch in der Analyse von Baby-TV-Formaten gezeigt", sagt Gurt. Eltern rät er, erst zu den Schlafenszeiten der Kinder das Fernsehgerät einzuschalten. Für Kleinkinder sind Hörbücher, Kinder- und Bilderbücher besser geeignet. Kinder können sie auf andere Weise sinnlich begreifen und sie ermöglichen viele Formen der Interaktion.
Sinnvolle Mediennutzung muss gelernt werden
Auch ältere Kinder sollten Sendungen nur gemeinsam mit ihren Eltern ansehen. "Die Eltern sehen dabei, ob es den Kleinen Spaß bereitet oder sie überfordert und können zum Beispiel durch Erklärungen sensibel darauf reagieren", erklärt der Medienexperte. Statt ständig von Fernsehbildern berieselt zu werden, müssen Kinder lernen mit Unterhaltungs- oder Informationsmedien sinnvoll umzugehen. "Es ist problematisch, wenn man Kinder vor dem Fernseher parkt, um sie ruhig zu stellen. Sie werden sich schnell an diese Form der Überwindung von Langeweile gewöhnen", sagt Gurt. Vom Fernseher im Kinderzimmer rät er völlig ab. Eltern haben so keine Möglichkeit mehr, die gesehenen Inhalte zu kontrollieren, und die Fernsehzeit nimmt automatisch zu.